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13.04.2006 · 11:35 Uhr

Aus einem Industrieschorn entweichen Abgase. (Bild: Stock.XCHNG / Steve Ford Elliott)

Aus einem Industrieschorn entweichen Abgase. (Bild: Stock.XCHNG / Steve Ford Elliott)

 

Geschäft zu Lasten der Armen

Auswirkungen des Handels mit Emmissionszertifikaten

Von Rainer Hörig

Der weltweite Emissionshandel soll den Klimaschutz stärken. Doch er ist auch ein Geschäft. Dass davon vor allem die reichen Industrieländer profitieren, zeigt das Beispiel Indien.

"Nach dem Kyoto-Protokoll müssen Industrieländer so genannte Minderungszertifikate kaufen. Indien ist ein wichtiger Anbieter."

Pamposh Bhat ist Energieberaterin. Sie konsultiert Industrieverbände, Behörden, Unternehmer und Politiker in ganz Indien und bringt ihnen den Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung nahe. Ziel ist der Aufbau eines funktionierenden Emissionshandels in und mit Indien. Pamposh Bhat arbeitet im Auftrag der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die zusammen mit dem indischen Ministerium für Energie die rechtlichen und technischen Vorraussetzungen für den Emissionshandel in Indien entwickelt.

Der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung ermöglicht es Regierungen und Firmen im Norden, Verschmutzungsrechte in Ländern des Südens zu kaufen. Diese Rechte entstehen dadurch, dass in Entwicklungsländern neue, klimaschonende Technologien eingeführt werden, Windkraftwerke oder Energiesparlampen etwa. Die damit eingesparten Emissionen können als Verschmutzungsrechte verkauft werden. Bevor etwa eine Firma ihre Verschmutzungsrechte anbieten kann, muss sie Gutachten und Genehmigungen bei örtlichen Behörden und schließlich beim internationalen Klimasekretariat der UNO in Bonn einholen. Noch einmal Pamposh Bhat:

"In Indien gibt die Regierung grünes Licht für solche Projekte. Sie hat dafür eine eigene Behörde eingerichtet, die schon fast 160 Projekte begutachtet und genehmigt hat."

Indien tritt als einer der führenden Anbieter von Verschmutzungszertifikaten auf. Die Website des Klimasekretariats in Bonn listet zur Zeit 27 genehmigte Projekte in Indien auf. Einzig Brasilien ist hier noch erfolgreicher. Die meisten der indischen Projekte beschreiben Anlagen zur Stromgewinnung aus Biomasse wie Ernteabfällen, Reisspelzen oder Holz. Ebenfalls genehmigt wurden Anlagen zur Vernichtung von extrem klimaschädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffen, die bei der Herstellung von Kühlmitteln entstehen. Für Indien liegen die Vorteile auf der Hand: Mit Hilfe der Erlöse aus dem Verkauf von Verschmutzungsrechten lohnt sich die Modernisierung veralteter Industrieanlagen.

Doch auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Mitarbeiter des unabhängigen Umweltinstituts Centre for Science and Environment in New Delhi wollten es genauer wissen und besuchten zertifizierte Fabrikanlagen. Häufig weigerten sich Werksleitungen, ihre vom internationalen Klimasekretariat überprüften Anlagen vorzuführen. Im Unionsstaat Rajasthan klagten Dorfbewohner über die Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser durch die zertifizierte Kühlmittelfabrik SRF. Der Dreck habe zu Ernteverlusten und zur Erkrankung vieler Dorfbewohner geführt, so die Berichterstatter vom Centre for Science and Environment. Pikanter Hintergrund: Die Firma SRF verkauft Verschmutzungsrechte an den Shell-Konzern und die bundeseigene Entwicklungsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau. Sunita Narain, Leiterin der Umweltorganisation, zieht eine Bilanz der Untersuchung:

"Unsere Nachforschungen ergaben, dass der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung heute ein sehr kompliziertes Verfahren darstellt, denn es verlangt nach vielen Genehmigungsverfahren, die hohe Verwaltungskosten verursachen. Vereinfacht gesprochen: Dieser Mechanismus ist ein Werkzeug, das dazu dient, die Taschen finanzstarker Firmen im Norden und im Süden zu füllen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Verantwortung dafür bei den Ländern des Nordens liegt."

Sunita Narain betont, dass die Hälfte der indischen Bevölkerung, immerhin rund 500 Millionen Menschen, weder Kühlschrank noch Auto besitzen und sich hauptsächlich von selbst produzierten Lebensmitteln ernähren. Damit leisteten sie einen wichtigen Beitrag zum Schutz des Weltklimas. Weil jedoch die Zertifikation von Schadstoffhandelsabkommen mit hohen Kosten verbunden sei, schließe sie ländliche Gemeinschaften oder Bauernkooperativen automatisch aus. Narain fordert daher, die Richtlinien für die Zertifikation so zu vereinfachen, dass auch die Armen davon profitieren können.


 
 
 

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