Der
weltweite Emissionshandel soll den Klimaschutz stärken. Doch er ist auch
ein Geschäft. Dass davon vor allem die reichen Industrieländer profitieren,
zeigt das Beispiel Indien.
"Nach dem Kyoto-Protokoll müssen Industrieländer so genannte Minderungszertifikate kaufen. Indien ist ein wichtiger Anbieter."
Pamposh Bhat ist Energieberaterin. Sie konsultiert Industrieverbände,
Behörden, Unternehmer und Politiker in ganz Indien und bringt ihnen den Mechanismus
für umweltverträgliche Entwicklung nahe. Ziel ist der Aufbau eines funktionierenden
Emissionshandels in und mit Indien. Pamposh Bhat arbeitet im Auftrag der
deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die zusammen
mit dem indischen Ministerium für Energie die rechtlichen und technischen
Vorraussetzungen für den Emissionshandel in Indien entwickelt.
Der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung ermöglicht es Regierungen
und Firmen im Norden, Verschmutzungsrechte in Ländern des Südens zu kaufen.
Diese Rechte entstehen dadurch, dass in Entwicklungsländern neue, klimaschonende
Technologien eingeführt werden, Windkraftwerke oder Energiesparlampen etwa.
Die damit eingesparten Emissionen können als Verschmutzungsrechte verkauft
werden. Bevor etwa eine Firma ihre Verschmutzungsrechte anbieten kann, muss
sie Gutachten und Genehmigungen bei örtlichen Behörden und schließlich beim
internationalen Klimasekretariat der UNO in Bonn einholen. Noch einmal Pamposh
Bhat:
"In Indien gibt die Regierung grünes Licht für
solche Projekte. Sie hat dafür eine eigene Behörde eingerichtet, die schon
fast 160 Projekte begutachtet und genehmigt hat."
Indien tritt als einer der führenden Anbieter von Verschmutzungszertifikaten
auf. Die Website des Klimasekretariats in Bonn listet zur Zeit 27 genehmigte
Projekte in Indien auf. Einzig Brasilien ist hier noch erfolgreicher. Die
meisten der indischen Projekte beschreiben Anlagen zur Stromgewinnung aus
Biomasse wie Ernteabfällen, Reisspelzen oder Holz. Ebenfalls genehmigt wurden
Anlagen zur Vernichtung von extrem klimaschädlichen Fluorchlorkohlenwasserstoffen,
die bei der Herstellung von Kühlmitteln entstehen. Für Indien liegen die
Vorteile auf der Hand: Mit Hilfe der Erlöse aus dem Verkauf von Verschmutzungsrechten
lohnt sich die Modernisierung veralteter Industrieanlagen.
Doch auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt. Mitarbeiter des unabhängigen
Umweltinstituts Centre for Science and Environment in New Delhi wollten es
genauer wissen und besuchten zertifizierte Fabrikanlagen. Häufig weigerten
sich Werksleitungen, ihre vom internationalen Klimasekretariat überprüften
Anlagen vorzuführen. Im Unionsstaat Rajasthan klagten Dorfbewohner über die
Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser durch die zertifizierte Kühlmittelfabrik
SRF. Der Dreck habe zu Ernteverlusten und zur Erkrankung vieler Dorfbewohner
geführt, so die Berichterstatter vom Centre for Science and Environment.
Pikanter Hintergrund: Die Firma SRF verkauft Verschmutzungsrechte an den
Shell-Konzern und die bundeseigene Entwicklungsbank Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Sunita Narain, Leiterin der Umweltorganisation, zieht eine Bilanz der Untersuchung:
"Unsere Nachforschungen ergaben, dass der Mechanismus
für umweltverträgliche Entwicklung heute ein sehr kompliziertes Verfahren
darstellt, denn es verlangt nach vielen Genehmigungsverfahren, die hohe Verwaltungskosten
verursachen. Vereinfacht gesprochen: Dieser Mechanismus ist ein Werkzeug,
das dazu dient, die Taschen finanzstarker Firmen im Norden und im Süden zu
füllen. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Verantwortung dafür bei den
Ländern des Nordens liegt."
Sunita Narain betont, dass die Hälfte der indischen Bevölkerung, immerhin
rund 500 Millionen Menschen, weder Kühlschrank noch Auto besitzen und sich
hauptsächlich von selbst produzierten Lebensmitteln ernähren. Damit leisteten
sie einen wichtigen Beitrag zum Schutz des Weltklimas. Weil jedoch die Zertifikation
von Schadstoffhandelsabkommen mit hohen Kosten verbunden sei, schließe sie
ländliche Gemeinschaften oder Bauernkooperativen automatisch aus. Narain
fordert daher, die Richtlinien für die Zertifikation so zu vereinfachen,
dass auch die Armen davon profitieren können.
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