HR2, Weltzeit

Redaktion: Reinhard Lauterbach

 

 

Elefantenmarkt am Ganges

 

Take 1: Atmo Mela

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Autor:

Schon vor Sonnenaufgang beginnt die Massenwanderung zum Fluss. Bäuerinnen in knallbunten Saris, Babies auf dem Arm, ganze Großfamilien vom Kleinkind bis zum Greis. Viele balancieren ihr Gepäck in einem Bündel auf dem Kopf, andere tragen es an einem Stock über die Schulter. Am Ufer stimmt eine Gruppe fromme Gesänge an, während sich einige Pilger ins eiskalte Wasser tasten. Nachdem der erste Schock überwunden ist, tauchen sie unter, um sich von Sünden rein zu waschen. Anschließend falten sie die Hände vor der Brust und beten zur aufgehenden Sonne.

 

Take 1: Atmo Mela

Kurz hoch

Autor:

Im ersten Sonnenlicht schimmert der Gandak-Fluss wie flüssiges Gold. Hölzerne Nachen setzen Pilger auf eine Sandbank über. Das Ufer ist von einem bunten Meer erwartungsfroher Gottessucher überschwemmt, laut schnatternd und rufend, stets in Bewegung.

 

Plötzlich schreckt lautes Trompeten die Zuschauer auf. Wie von Geisterhand bewegt teilt sich die Menge und ein mächtiger Elefant erscheint, geführt von einem Mahaut, dem vertrauten Pfleger. Vorsichtig tastet sich der Dickhäuter das steile Ufer hinab zum Fluss. Mit lauten Befehlen und einem Eisenhaken bringt der Mahaut den Elefant dazu, sich ins flache Wasser zu legen. Unter den Blicken hunderter Schaulustiger bespritzt der Mahaut das Tier mit Wasser und schrubbt seine graue Haut mit einem Stein. Ein Kollege, der jugendliche Rakesh Yadav, erzählt:

 

Take 2: Mahaut

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Zitator:

„Ich habe dieses Handwerk von klein auf von meinem Vater gelernt. Ich schneide Äste von den Bäumen und bringe dem Elefanten Zuckerrohr und rohen Reis. Jeden Tag führe ich ihn zum Baden. Ab und zu besuchen wir Hochzeiten. Die Menschen lieben es, wenn der Elefant dem Bräutigam einen Blumenkranz umhängt.“

Take 3: religiöses Lied „Pandurang“

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Take 4: Atmo Verkehr

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Autor:

Überfüllte Züge, verstopfte Straßen, nervöse Polizisten – wenn im November die Pilger zur Mela strömen, versinkt der kleine Ort Sonepur im Chaos. Es gibt in der Stadt kein einziges Hotel, doch in diesen Tagen beherbergt sie Hunderttausende. Händler richten sich wochenlang in komfortablen Wohnzelten ein. Bauern aus nah und fern übernachten in einfachen Baracken oder im Freien am Lagerfeuer. Für zahlungskräftige Ausländer baut die Tourismusbehörde ein Camp mit Bambushütten auf. In diesem Jahr zählte der Manager Mukesh ganze 44 Gäste, aber in guten Jahren könnten es bis zu einhundert sein, sagt er stolz.

 

Take 4: Atmo Verkehr

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Autor:

Mit dem Flugzeug waren wir in Patna gelandet, der Hauptstadt von Bihar, dem ärmsten und korruptesten Staat Indiens. Hier, tief in der indischen Provinz, ist die High-Tech-Industrie noch ein schöner Traum. Feudale Ausbeutung bestimmt das Leben der meisten Menschen. Maoistische Guerillatruppen machen den Reichen und Mächtigen das Leben schwer. In der Antike war Patna die Hauptstadt der ersten indischen Großreiche. Hier meditierte und predigte der historische Buddha.

 

Im Taxi fahren wir eine gute Stunde lang von Patna nach Sonepur, einer unscheinbaren Kleinstadt am westlichen Ufer des Gandak-Flusses kurz vor dessen Mündung in den Ganges. Seit dem 17. Jahrhundert wird hier im November eine Mela gefeiert, ein Pilgerfest mit Jahrmarkt. Der angeschlossene Viehmarkt soll der größte in Asien sein. Hier werden Papageien, Schlangen, Ziegen, Kühe und Wasserbüffel, Kutschen- und Reitpferde zum Kauf angeboten - und Elefanten.

 

Take 5: Atmo Viehmarkt

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Autor:

Beim Frühstück im Touristencamp lerne ich Moish, einen Maler aus Israel kennen. Wir beschließen, gemeinsam zum Fluss zu schlendern. In einem Bambushain, wo es nach Pferdemist riecht, bietet man uns Ponies zum Schleuderpreis an: umgerechnet 500 Euro lautet die Verhandlungsbasis. Viel macht der klapprige Gaul auch nicht her. Wir lehnen dankend ab und tasten uns zu den Wasserbüffeln vor, wo lautstark gefeilscht wird. An einem Teestand treffen wir den fliegenden Händler Ashok und rauchen mit ihm einen „Beedi“, einen indischen Zigarillo. Eine Menschentraube lockt uns zu einem Schlangenartisten, der eine Kobra vorführt und dabei gräuliche Geschichten erzählt. Schließlich entdecken wir am Ufer des Gandak-Flusses einen unscheinbaren Tempel, der dem Hindugott Shiva geweiht ist.

 

Take 6: Atmo im Tempel, Stimmen, Glocken

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Autor:

Die Pilger schlagen eine große Messingglocke an, um den Schöpfer und Zerstörer der Welt auf sich aufmerksam zu machen. Dann reichen sie dem Priester ihre Opfergaben – Blumen, Kokosnüsse, Räucherstäbchen. Eine alte Legende rankt sich um diesen Ort:

 

Zitator:

Früher breitete sich ein großer See um den Berg Trikut aus. Darin hauste ein gewaltiges Krokodil. Als eines Tages eine Elefantenherde aus dem Wald zum Trinken und Baden ans Seeufer kam, schnappte das Krokodil nach dem Bein des Leitbullen und versuchte, ihn ins Wasser zu ziehen. Ein fürchterlicher Kampf entbrannte, der mehr als eintausend Jahre dauerte. Als der Elefant seine Kräfte schwinden spürte, rief er den Hindu-Gott Vishnu um Hilfe an. Der Bewahrer der Schöpfung tötete das Krokodil und rettete den Elefanten. Durch die Berührung mit der Gottheit aber erhielten beide ihre menschliche Gestalt zurück, die sie einst durch den Fluch eines Magiers verloren hatten.

 

Take 7: religiöses Lied zu Ehren der Flüsse

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Autor:

Vom Shiva-Tempel erstreckt sich ein Hain mit Mangobäumen einen halben Kilometer am Flussufer entlang bis zur Eisenbahnbrücke. Im Schatten der knorrigen Bäume stehen an die 70 Elefanten zum Verkauf. Mit schweren Eisenketten an allen Vieren angepflockt, schaukeln sie unruhig hin und her. Mahauts sitzen zu ihren Füßen in einem Haufen Zuckerrohr. Sie brechen die süßen Stangen in handliche Länge und knoten ein halbes Dutzend davon zu einem Bündel. Sobald sie das Zuckerpaket in die Höhe halten, greift ein gelenkiger Rüssel danach und stopft es in ein unscheinbares Maul. Wir beobachten einen Mahaut, der sein Tier mit Öl einreibt, sodass die kaum behaarte Elefantenhaut schwarz glänzt. Mit Kreide trägt er bunte Ornamente um die Augen und auf die Stirn auf. Make-up für eine Elefantendame.

 

Take 8: Atmo Viehmarkt, wie Take 5

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Autor:

Ein älterer Herr lädt uns zum Plausch. Vor einem geräumigen Wohnzelt hat er vier Plastikstühle um einen Tisch gruppiert. Ein Diener serviert heißen Tee in Tassen aus Ton. Unser Gastgeber stellt sich als Umesh Kumar Yadav vor. Im Upalghar-Distrikt, rund 90 Kilometer entfernt, besitze er zehn Hektar fruchtbares Ackerland und drei Elefanten.

 

Take 9: Elefantenbesitzer

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Zitator:

„Wir halten Elefanten eigentlich zum Spaß, auch wenn es nicht ganz billig ist. Täglich braucht das Tier rund eintausend Rupien nur für Futter. Ein Elefant frisst etwa 200 Kilo am Tag - frische Zweige vom Baum geschnitten, ungeschälten Reis und Zuckerrohr.“

 

Autor:

Wie denn die Geschäfte laufen, will ich wissen und ernte erstaunte Blicke.

 

Take 10: Elefantenbesitzer

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Zitator:

„Um Himmels Willen, ich verkaufe keine Elefanten. Die Forstbehörde hat das doch verboten. Früher kauften skrupellose Seelen Elefantenbullen, nur um sie zu töten und das Elfenbein zu verhökern. Daher darf man keine Elefanten verkaufen, aber verschenken darf man sie,“

 

Autor:

Was er denn als Gegengeschenk erwarte, frage ich den Feudalherrn. Yadav zuckt nur mit den Schultern und lächelt. Später erfahren wir, dass Jungtiere mit umgerechnet 10.000 Euros, ausgewachsene Elefanten mit über 15.000 Euros gehandelt werden. Als ich vor vier Jahren die Mela in Sonepur besuchte, lagen die Preise bei einem Viertel. Elefanten sind offensichtlich eine lohnende Geldanlage. Herr Yadav kann das sicher bestätigen!

 

Take 11: bengalisches Volkslied, Purnadas Baul

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